Gründung: Kloster Heidenheim erstand nach Theodor Schieffer "in seinen Anfängen nahezu als ein Gegenstück zu Fulda". Die Gründung erfolgte wohl im Frühjahr 752 durch den Angelsachsen Wunibald in Zusammenwirken mit seinem Bruder Willibald, dem ersten Bischof von Eichstätt. Beide waren vornehmer Herkunft, Gefolgsleute und Blutsverwandte des heiligen Bonifatius. Aus der angelsächsischen Kirche hervorgegangen, die als Tochtergründung von Rom einen großen geistigen Reichtum entfaltete, vertieften die beiden Brüder zusammen mit ihrem schon alternden Vater - sein Name ist unbekannt; die Legende bezeichnet ihn seit dem 12. Jahrhundert als König Richard - durch eine Pilgerfahrt in die heilige Stadt Rom ihre Beziehungen zur Mutterkirche. Der Vater starb unterwegs und wurde in Lucca in einem Kloster begraben. Wunibald verbrachte 18 Jahre als Asket in einem Kloster in Rom, Willibald trat nach einer Reise in das Heilige Land in das berühmte Kloster Monte Cassino ein. Im Jahre 738 holte der heilige Bonifatius seinen Blutsverwandten Wunibald in die Heidenmission nach Deutschland. In Thüringen, in der Oberpfalz und zuletzt in Mainz war Wunibald im Dienste seines großen Meisters und Lehrers Bonifatius tätig. Im Frühjahr 752 trennte sich Wunibald von ihm und begab sich zu seinem Bruder Willibald nach Eichstätt, der auch von Bonifatius nach Deutschland gerufen und zum ersten Bischof von Eichstätt geweiht worden war. Beide erwarben in Heidenheim Grund und Boden, und Wunibald gründete hier im Frühjahr 752 sein Eigenkloster. Er stand ihm als erster Abt etwa 10 Jahre vor, starb am 18. Dez. 761 und wurde in der damaligen Klosterkirche begraben. Angelsächsische Weite und Romverbundenheit waren die geistigen Grundlagen der Klostergründung Heidenheim.
Angelsächsisches Doppelkloster: Nach dem Tode Wunibalds eilte seine Schwester Walpurgis nach Heidenheim, übernahm Wunibalds Gründung und wandelte sie in ein Doppelkloster für Männer und Frauen nach dem Vorbild ihrer Heimat um. Nach Theodor Schieffer war Heidenheim das einzige Doppelkloster der angelsächsischen Mission. Während dieser Zeit lebten feingebildete angelsächsische Nonnen in Heidenheim. Eine davon, namens Hugeburg, Verwandte der Äbtissin Walpurgis, verfaßte um das Jahr 788 zwei bedeutende hagiographische Schriften:
Die Vita Willibaldi und die Vita Wynnebaldi, beide auch hervorragende historische Quellen zur frühen Geschichte des Bistums Eichstätt und des Klosters Heidenheim. Unter der Leitung der heiligen Walpurgis erfolgte am 24. Sept. 777 in Gegenwart ihres Bruders Willibald, der hohen Eichstätter Geistlichkeit und des gesamten Volkes die feierliche Umbettung Wunibalds in eine neuerbaute Krypta, was seine Heiligsprechung bedeutete. Vom Erdenwandel der heiligen Walpurgis ist wenig bekannt. Sie starb wohl am 25. Febr. 779 und wurde hier in Heidenheim beigesetzt, wahrscheinlich an der Stelle des heutigen Walpurgis-Grabmales.
Kollegiatstift: Nach der Blütezeit des Klosters unter den Angelsachsen verwandelte der Eichstätter Bischof Gerhoh um 790 Wunibalds Gründung in ein Stift von Säkularkanonikern (Weltgeistlichen) und zog wohl einen Teil seiner Güter ein, um damit die Eichstätter Bischofskirche zu stärken. Etwa 100 Jahre lang ruhten Walpurgens Gebeine wenig beachtet in Heidenheim. Um das Jahr 870 erfolgte der Bau einer neuen Stiftskirche, wobei die Bauleute auch auf das Grab der später so berühmten Heiligen traten - ein Hinweis dafür, daß die Äbtissin, solange sie in Heidenheim ruhte, noch nicht als heilig galt. Ein Mauereinsturz wurde als ein Gottesurteil empfunden, weil man ihr Grab mißachtet hatte. Durch eine Vision bestärkt, ließ Bischof Otgar zwischen 870-876 die Gebeine der Heiligen heben und an einem 21. Sept. in feierlicher Form nach Eichstätt überführen. Teile ihrer Reliquien wurden dann wohl am 1. Mai (Walpurgistag!) 893 unter Bischof Erchanbald nach Monheim bei Donauwörth gebracht, wo bald eine bedeutende Verehrungsstätte entstand. Diese Translation von Heidenheim nach Eichstätt bedeutete dazumal Walpurgens Heiligsprechung. Bei der Überführung ihrer Gebeine von Eichstätt nach Monheim ereigneten sich außerordentliche Wunderzeichen; diese wurden von dem Kleriker Wolfhard von Herrieden aufgezeichnet, in den Schreibschulen der Klöster vervielfältigt und im Gottesdienst immer wieder zur Erbauung des Volkes verlesen. Die Wunder der heiligen Walpurgis trugen dazu bei, daß sich ihre Verehrung über den gesamten nördlichen Bereich des christlichen Abendlandes verbreitete und daß die ehemalige Heidenheimer Äbtissin zu einem Leitbild der mittelalterlichen Gesellschaft wurde. In Deutschland, Frankreich, Holland und Belgien, aber auch anderswo entstanden Stätten ihrer Verehrung (Walpurgisklöster und -kirchen, Walberberge, Walpurgisnacht).
Die Heidenheimer Reform: Während der Kult der Heidenheimer Äbtissin Walpurgis in abendländische Weiten drang, galt es in der hohen Geistlichkeit Frankens, die nach dem Investiturstreit - wie ganz Süddeutschland - von einer neuen Welle gesteigerten Glaubensdranges erfaßt wurde, als Stein des Anstoßes, daß in Heidenheim an der geheiligten Stätte der angelsächsischen Mission, wo die Heilige ihr Erdendasein vollendete und ihr Bruder Wunibald begraben lag, die Kirche nicht mehr vom Geiste des Mönchtums getragen wurde. Bischof Gebhard II. von Eichstätt (1125-1149) faßte zusammen mit Bischof Otto dem Heiligen von Bamberg (1102-1139), einem Angehörigen des staufischen Königshauses, Erzbischof Konrad von Salzburg und Abt Adam von Ebrach den Entschluß, das heruntergekommene Stift Heidenheim zu reformieren. Sie trafen auf harten Widerstand der Kanoniker und ihrer weltlichen Verwandten. Die Heidenheimer Reform zog weite Kreise und erregte höchste Stellen. Erst als Kaiser Barbarossa, dessen Eltern in St. Walburg bei Hagenau im Elsaß begraben liegen, zusammen mit den päpstlichen Legaten den Gegner der Reform, den Eichstätter Bischof Burkhard, absetzen ließ, konnten nach langen Auseinandersetzungen Reformmönche aus den Klöstern St. Michael in Bamberg, Banz und Kastl in der Oberpfalz unter Führung des Abtes Adelbert, vorher in Paulinzella und Michelfeld, in Heidenheim einziehen und der Benediktinerregel gemäß leben, wie sie von den Hirsauern, einer selbstbewußten Gruppe innerhalb der cluniazensischen Bewegung, verordnet worden war. Als Folge der Wiedereinführung der Benediktinerregel in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstand in Heidenheim die dreischiffige Basilika, wie sie heute zum großen Teil noch erhalten ist. Die weltliche Schutzherrschaft über das reformierte Kloster wurde den Grafen von Truhendingen als Blutsverwandten der Staufer übertragen, die dafür sorgten, daß die Klostergüter auch dem frühstaufischen Machtbereich erhalten blieben.
Aufhebung des Klosters in der Reformation: Bis zur Reformation im 16. Jahrhundert zog sich das Leben des zweiten Heidenheimer Benediktinerklosters ohne große dramatische Höhepunkte dahin. Die hohe Zeit der Angelsachsen mit ihren weiten geistigen Verbindungen wurde nicht mehr erreicht. Als bischöflichem Eigenkloster blieben ihm päpstliche Gunsterweise versagt. Im letzten Jahrhundert vor der Reformation erschloß sich das Kloster noch durch Stiftung einer Propstei im nahen Mariabrunn und durch Errichtung der Annakapelle am südlichen Chor der Volksfrömmigkeit des ausgehenden Mittelalters, aber durch die vogteiliche Bindung an das Haus Brandenburg-Ansbach war sein Ende schon vorgezeichnet. Im Bauernkrieg blieb es vor einer Plünderung verschont, weil Markgraf Kasimir den vereinigten Ries- und Hesselberghaufen am 7. Mai 1525 bei Ostheim zerschlagen ließ, der schon im Anmarsch auf Heidenheim war. Mit dem Übertritt der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach zur Reformation fand auch das Klosterleben in Heidenheim ein frühes Ende. 1551 brannte die Pfarrkirche St. Walburg am alten Friedhof zusammen mit mehreren Häusern ab. Sie wurde nicht mehr aufgebaut. Der Markgraf verfügte, daß die ehemalige Klosterkirche als Pfarrkirche verwendet werden solle. Seit dieser Zeit dient sie der evangelischen Gemeinde Heidenheim, die es als besondere Pflicht betrachtet, das Gotteshaus in seiner alten Schönheit zu erhalten.
Grabkapelle der heiligen Walpurgis am Eingang: Die Reliquien der heiligen Walpurgis wurden um 870/76 nach Eichstätt und Teile davon von dort 893 nach Monheim bei Donauwörth überführt. Im Laufe des frühen und hohen Mittelalters verbreitete sich der Walpurgiskult über einen weiten Bereich des christlichen Abendlandes; an vielen Orten entstanden Stätten ihrer Verehrung. In Heidenheim, wo die Heilige als Äbtissin dem angelsächsischen Doppelkloster vorstand und hier auch ihr Erdendasein vollendete, wurde an der Stelle ihrer Erstbestattung in der Frühzeit des 13. Jahrhunderts ein eindrucksvolles, kapellenartiges Grabmal errichtet. Ob während der Zeit des Stifts eine Kultstätte für die berühmte Heilige bestand und wie diese gestaltet war, davon ist nichts bekannt. Die Walpurgiskapelle ist jünger als die Basilika, Sie lehnt sich an zwei Westpfeiler der nördlichen Arkadenreihe an; zum größeren Teil springt sie in das Mittelschiff der Kirche vor, zum kleineren in das nördliche Seitenschiff. Die Außenwände der Kapelle gliedern Ecklisenen, die einen Spitzbogenfries tragen. Die Mauern schließen oben ringsum mit Zinnen, die die Plattform maskieren. Die vier Arkaden an der Nordseite und die Doppelarkade an der Ostseite werden jeweils durch Säulchen mit besonders schönen Kapitellen des frühen 13. Jahrhunderts getrennt. Die Kapitelle tragen Palmettendekor mit Diamantbändern und zum Teil auch Knospen. Die Walpurgiskapelle erfuhr wohl 1729/30 anläßlich der Erneuerunq des südlichen Seitenschiffes der Kirche eine Umgestaltung. Aus der Südwand der Kapelle wurden 3 Arkaden mit den Säulen und Kapitellen ausgebrochen, wie sie in der Nordwand noch vorhanden sind, und durch einen weitgesprengten, profillosen Stichbogen ersetzt. Die Beter betraten durch den kleinen Zugang in der Westwand die Kapelle.
Die Tumba in der Walpurgiskapelle stammt aus dem Jahre 1484. Bei der Aufschüttung des Fußbodens im 18. Jahrhundert wurde auch der Grund der Kapelle auf gleiche Höhe aufgefüllt. Die Tumba versank dadurch bis zur Deckplatte in der Auffüllung, die mit Solnhofer Platten belegt war wie der gesamte Kirchenboden. 1967 wurde die Aufschüttung ausgeräumt, dabei kam die Tumba wieder zum Vorschein. Die Walpurgistumba besteht aus einem profilierten Sockel, einem Corpus, von dem nur zwei Seiten mit einem Maßwerkfries aus Fischblasen und Dreipaßringen überzogen sind. Die anderen Seiten tragen keinen Schmuck. Das dürfte darauf hindeuten, daß die Tumba einstmals innerhalb der Kapelle an die Südostwand angelehnt war, wo durch eine gekuppelte Lichtöffnung mit einer Teilungssäule Morgenlicht auf die Liegefigur der Heiligen fallen konnte. Die Deckplatte zeigt die Heilige im Ordensgewand; in der Rechten hält sie ein (beschädigtes) Zepter als Zeichen ihrer königlichen Abstammung, in der Linken ein Buch, wohl die Ordensregel. Darauf liegt als Attribut der Heiligen das Ölfläschlein, das auf den Ölfluß aus ihren heiligen Gebeinen hinweist. Zwei Englein halten über ihrem Haupte die Krone der Heiligkeit; zu ihren Füßen das Dreilöwen-Wappen als Zeichen ihrer angelsächsischen Herkunft. Am Schrägrand die Inschrift: "Sepulchrum sanctae Walpurgis 1484" (Grablege der heiligen Walpurgis). Der Meister ist unbekannt.
(Abdruck aus dem Kirchenführer)